Die Globalisierung hat die Weltwirtschaft grundlegend verändert und zu komplexen Lieferketten geführt, die Länder und Kontinente miteinander verbinden. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen bringt diese Vernetzung auch große Herausforderungen mit sich, insbesondere im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes. Vor diesem Hintergrund hat Deutschland mit dem Gesetz zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten (LkSG) einen Meilenstein gesetzt, der Unternehmen in die Pflicht nimmt, ihrer globalen Verantwortung gerecht zu werden. Dieses Gesetz steht nicht isoliert, sondern ist Teil einer größeren Bewegung innerhalb der Europäischen Union, wie die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die EU-Entsorgungsverordnung (EUDR) zeigen.
Hintergrund und Ziele des LkSG
Das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten markiert einen Wendepunkt in der deutschen Wirtschaftspolitik. Es entstand vor dem Hintergrund wachsender Kritik an menschenrechtsverletzenden und umweltschädlichen Praktiken in globalen Lieferketten. Fälle von Kinderarbeit, Zwangsarbeit, unzumutbaren Arbeitsbedingungen und gravierenden Umweltschäden rückten die Verantwortung multinationaler Unternehmen in den Fokus. Deutschland reagierte auf diese Entwicklungen mit der Verabschiedung eines Gesetzes, das Unternehmen zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten verpflichtet. Ziel des Gesetzes ist es laut § 1 LkSG, „die internationalen Menschenrechte zu wahren und den Schutz der Umwelt zu fördern, indem Unternehmen verpflichtet werden, in ihren Lieferketten gebührende Sorgfalt walten zu lassen“. Das Gesetz soll dazu beitragen, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern zu verbessern und gleichzeitig einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.
Das LkSG gilt zunächst für Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben und in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen (§ 1 Abs. 1 LkSG). Ab dem 1. Januar 2024 wird der Schwellenwert auf 1.000 Beschäftigte abgesenkt (§ 1 Abs. 2 LkSG). Unter das Gesetz fallen auch ausländische Unternehmen mit entsprechenden Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen in Deutschland, sofern sie die genannten Beschäftigtenzahlen erreichen. Diese Regelung bedeutet, dass zunächst vor allem große Unternehmen betroffen sind. Das Gesetz hat aber auch Auswirkungen auf kleinere Unternehmen, die als Zulieferer in die Lieferkette eingebunden sind, da die großen Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette erfüllen müssen.
Verpflichtungen und Pflichten für Unternehmen
Das Gesetz zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette legt detaillierte Anforderungen fest, die Unternehmen erfüllen müssen. Im Mittelpunkt stehen dabei menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten. Unternehmen sind verpflichtet, ein angemessenes Risikomanagement einzurichten, das in alle relevanten Geschäftsprozesse integriert ist (§ 4 Abs. 1 LkSG). Dieses Risikomanagement soll dazu dienen, mögliche menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu identifizieren und zu bewerten. Die Risikoanalyse ist mindestens einmal jährlich durchzuführen und bei wesentlicher Veränderung der Risikolage zu aktualisieren (§ 5 Abs. 1 LkSG). Auf Basis der Risikoanalyse haben Unternehmen eine Grundsatzerklärung zur Menschenrechtsstrategie abzugeben (§ 6 Abs. 2 LkSG). Diese soll die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Erwartungen des Unternehmens an seine Mitarbeiter und Lieferanten festlegen. Darüber hinaus sind angemessene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, um identifizierte Risiken zu vermeiden oder zu minimieren (§ 6 Abs. 1 LkSG). Dazu gehören u.a. Schulungen, Anpassungen der Beschaffungsstrategien und die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in Verträge.
Stellt ein Unternehmen fest, dass menschenrechtliche oder umweltbezogene Verpflichtungen verletzt wurden, hat es unverzüglich Abhilfemaßnahmen zu ergreifen (§ 7 Abs. 1 LkSG). Darüber hinaus sind Unternehmen verpflichtet, ein wirksames Beschwerdeverfahren einzurichten, das es Betroffenen ermöglicht, auf Risiken oder Verletzungen aufmerksam zu machen (§ 8 Abs. 1 LkSG). Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist laufend zu dokumentieren (§ 10 Abs. 1 LkSG). Darüber hinaus haben die Unternehmen jährlich einen Bericht zu erstellen, der öffentlich zugänglich zu machen ist (§ 10 Abs. 2 LkSG). Dieser Bericht muss detaillierte Angaben über die getroffenen Maßnahmen und deren Wirksamkeit enthalten.
Das LkSG unterscheidet zwischen der eigenen Geschäftstätigkeit, den direkten Zulieferern und den indirekten Zulieferern. Während bei der eigenen Geschäftstätigkeit und bei den direkten Zulieferern umfassende Sorgfaltspflichten gelten, besteht bei den indirekten Zulieferern eine Handlungspflicht, wenn das Unternehmen „begründete Kenntnis“ von möglichen Rechtsverletzungen erlangt (§ 9 Abs. 3 LkSG). In diesem Fall muss das Unternehmen unverzüglich eine Risikoanalyse durchführen und gegebenenfalls Vorbeugungs- oder Abhilfemaßnahmen ergreifen. Die Nichteinhaltung dieser Pflichten kann zu empfindlichen Strafen führen. Gemäß § 24 LkSG können bei Verstößen Geldbußen bis zu 8 Millionen Euro oder bis zu 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes verhängt werden, wenn der Umsatz mehr als 400 Millionen Euro beträgt. Darüber hinaus kann ein Unternehmen bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden (§ 22 LkSG). Die Überwachung der Einhaltung des Gesetzes obliegt dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) (§ 14 LkSG).
Verbindungen zu CSDDD und EUDR
Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist eine geplante EU-Richtlinie zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Sorgfaltspflichtenregimes. Sie soll Unternehmen dazu verpflichten, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten wahrzunehmen und geht in einigen Aspekten über das deutsche LkSG hinaus. Die CSDDD soll für größere Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten. Für bestimmte Hochrisikobranchen wie Textil, Landwirtschaft oder Mineralien sollen bereits Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und einem Umsatz von 40 Millionen Euro erfasst werden.
Im Gegensatz zum LkSG sieht die CSDDD eine zivilrechtliche Haftung vor, d.h. Betroffene können Schadensersatzansprüche gegen Unternehmen geltend machen, wenn diese ihre Sorgfaltspflichten verletzen. Darüber hinaus enthält die CSDDD stärkere Vorgaben zur Einbeziehung von Stakeholdern und zur Ausrichtung der Unternehmensführung an Nachhaltigkeitszielen. Ein wesentlicher Unterschied zum LkSG ist die stärkere Betonung von Klimaschutz- und Umweltaspekten in der CSDDD. Unternehmen sollen verpflichtet werden, Klimaschutzpläne zu entwickeln und umzusetzen, die im Einklang mit dem Pariser Abkommen stehen. Dies erweitert den Fokus der Sorgfaltspflichten auf klimaschutzrelevante Aspekte.
Das LkSG kann als Vorläufer der CSDDD angesehen werden und bietet deutschen Unternehmen die Möglichkeit, sich frühzeitig auf die erweiterten europäischen Anforderungen einzustellen. Unternehmen sollten jedoch beachten, dass die Datenschutz-Grundverordnung teilweise strengere und weitergehende Pflichten vorsieht. Eine frühzeitige Anpassung der Compliance-Strukturen ist daher zu empfehlen.
Die EU-Dekontaminierungsverordnung (EUDR) wurde von der Europäischen Union eingeführt, um die globale Entwaldung zu bekämpfen und sicherzustellen, dass Produkte, die auf den EU-Markt gelangen, nicht zur Waldzerstörung beitragen. Die Verordnung betrifft Unternehmen, die bestimmte Rohstoffe wie Holz, Kaffee, Kakao, Soja, Palmöl und Rindfleisch in die EU einführen oder dort vermarkten. Die EUDR verpflichtet die Unternehmen, einen Sorgfaltspflichtprozess durchzuführen, um sicherzustellen, dass ihre Produkte frei von Entwaldung sind. Dazu gehört die Erfassung detaillierter Informationen über die Lieferkette, einschließlich der genauen geografischen Herkunft der Rohstoffe. Die Unternehmen müssen nachweisen, dass die Rohstoffe nicht von Flächen stammen, die nach dem Stichtag 31. Dezember 2020 abgeholzt wurden.
Überschneidungen zwischen den Pflichten nach dem LkSG und der EUDR bestehen insbesondere im Bereich der umweltbezogenen Sorgfaltspflichten. Während das LkSG den Umweltschutz allgemein als Teil der Sorgfaltspflichten betrachtet (§ 2 Abs. 3 LkSG), spezifiziert die EUDR detaillierte Anforderungen zur Vermeidung von Entwaldung. Unternehmen, die sowohl unter das LkSG als auch unter die EUDR fallen, müssen ihre Sorgfaltspflichten entsprechend erweitern und die spezifischen Anforderungen beider Regelwerke erfüllen. Durch die Implementierung eines umfassenden Sorgfaltspflichtsystems können Unternehmen sowohl die Anforderungen des LkSG als auch der EUDR erfüllen. Ein integrierter Ansatz ermöglicht es, Ressourcen effizient zu nutzen und Doppelarbeit zu vermeiden. Zudem werden Transparenz und Nachhaltigkeit entlang der gesamten Lieferkette gefördert.
Das Nebeneinander von LkSG, CSDDD und EUDR stellt Unternehmen vor komplexe Compliance-Herausforderungen. Es ist wichtig, ein ganzheitliches Compliance Management System zu entwickeln, das die unterschiedlichen Anforderungen berücksichtigt. Unternehmen sollten folgende Schritte in Betracht ziehen: Analyse der relevanten Regelwerke, Integration der Due Diligence, Einbindung von Stakeholdern, technologische Lösungen sowie Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter. Die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen bietet nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch die Möglichkeit, sich als verantwortungsbewusstes Unternehmen zu positionieren. Konsumenten und Investoren legen zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit und ethisches Handeln. Unternehmen, die diese Erwartungen erfüllen, können Wettbewerbsvorteile erzielen und neue Marktsegmente erschließen.
Das Gesetz zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten setzt neue Maßstäbe für Unternehmensverantwortung und ist Teil einer europäischen Bewegung zur Stärkung von Menschenrechten und Umweltschutz in globalen Lieferketten. Die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive und die EU-Entsorgungsverordnung ergänzen diese Bemühungen und erweitern die Anforderungen an Unternehmen. Für Unternehmen bedeutet dies, ihre Compliance-Strategien zu überdenken und anzupassen. Die frühzeitige und proaktive Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen ist nicht nur eine rechtliche Notwendigkeit, sondern auch eine Chance, nachhaltiges Wirtschaften zu fördern und das Vertrauen von Kunden, Investoren und der Gesellschaft zu gewinnen. Die Herausforderungen sind zweifellos groß, aber die Vorteile überwiegen. Ein nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Geschäftsmodell ist der Schlüssel zu langfristigem Erfolg in einer zunehmend vernetzten und bewussten Weltwirtschaft.
Quellen
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
European Union – Document 52022PC0071
European Union – Document 32023R1115
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
Organisation for Economic Co-operation and Development
UN Human Rights Office – Guiding Principles on Business and Human Rights PDF
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Bundesverband der Deutschen Industrie